Behandlung

Grundlagen der optimalen Behandlung bei Frauen mit Brustkrebs

Grundlagen der optimalen Behandlung bei Frauen mit Brustkrebs

Nach WHO-Angaben erkranken pro Jahr weltweit etwa 1,3 Millionen Menschen an Brustkrebs, 450.000 von ihnen sterben, in Deutschland werden jährlich 72.000 neue Fälle diagnostiziert und 17.000 Frauen sterben am Mammakarzinom. Obwohl auch Männer an Brustkrebs erkranken können, sind mehr als 99% der Betroffenen Frauen. Die Brustkrebshäufigkeit  ist in Deutschland seit 1980 bis etwa ins Jahr 2000 stetig angestiegen, seitdem ist die Rate in etwa gleichbleibend.

Die Fortschritte in der Brustkrebsforschung ermöglichen eine verbesserte Früherkennung, die individualisierte, zielgerichtete Behandlung, eine geringere Belastung für Patientinnen und das alles bei verbesserten Heilungsraten.

In den vergangenen Jahren hat sich die Therapie des Mammakarzinoms grundlegend gewandelt. Das aktuelle Zauberwort lautet „Personalisierte Medizin“. Eigentlich so neu nicht, haben wir auch in der Vergangenheit die Therapie nach Stadium (Rezeptorstatus, Lymphknotenbefall, Alter) und anderen Risikofaktoren „personalisiert“. Heute aber werden Patientinnen unter Nutzung von Biomarkern in klinisch relevante Untergruppen eingeteilt. Wir wissen mittlerweile, dass es mindestens 6, wahrscheinlich aber weit mehr unterschiedliche Tumorentitäten gibt. Ein Beispiel: Aus der Genomforschung ist bekannt, dass ein BRCA 1/2-positives, triple-negatives Mammakarzinom dem Ovarialkarzinom in der Biologie sehr ähnlich ist. Erste Ergebnisse zeigen, dass diese Tumorentität auf eine angepasste Chemotherapie (Platinderivate) besser anspricht als auf die bisherige Standardtherapie. Ziel der Behandlung ist es, die molekularbiologischen Konstellationen des Tumors und der Patientin durch die Charakterisierung individueller Besonderheiten zu berücksichtigen. Der Einsatz neuer zielgerichteter Therapien bietet vielen Betroffenen nicht nur eine wirksamere Behandlung mit weniger Nebenwirkungen, sondern resultiert auch in einem längerem Überleben. Das Ergebnis ist moderne Präzisionsmedizin.

DAS Mammakarzinom gibt es nicht mehr!

Wenn sich eine Patientin mit einem invasiven Mammakarzinom im Mammazentrum Hamburg vorstellt, besprechen wir die therapeutischen Optionen und stimmen das Vorgehen ganz speziell auf diese Patientin ab. Die molekularbiologische Befundung kann jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen. Gleiches gilt für eine sorgfältige humangenetische Untersuchung. Die dadurch entstehenden Zeiten der Ungewissheit sind für alle Beteiligten mühsam und belastend. Allerdings ist dies heute Voraussetzung für eine optimale Therapieplanung.

Die Behandlung erfolgt individualisiert: Kein Brustkrebs gleicht dem anderen, deshalb wurde in den letzten Jahren eine „maßgeschneiderte Therapie“ für jede einzelne Patientin entwickelt. Grundlage dazu ist die Identifikation von Brustkrebs-Untergruppen. Entscheidend sind die Eigenschaften der Krebszellen, nicht alleine die Gesamtgröße des Tumors. Dazu werden teilweise sehr aufwändige, immunhistochemische und molekularbiologische Untersuchungen durchgeführt. Diese beeinflussen wesentlich die Entscheidung über eine adjuvante (vorbeugende) systemische Therapie: zum einen, wer soll behandelt werden, und zum anderen, wie soll behandelt werden.

Die wichtigsten Brustkrebs-Untergruppen:

  • Luminal A-Tumoren sind die am häufigsten vorkommenden Mammakarzinome. Diese Krebszellen haben überdurchschnittlich viele Östrogen- oder Progesteron-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche und zeigen eine niedriger Zellteilungsrate. Daher sprechen diese Tumoren besonders gut auf eine antihormonelle Therapie an.
  • Luminal B-Tumoren sind am zweithäufigsten vertreten. Das Hauptmerkmal ist eine hohe Zellteilungsrate, oft auch das Fehlen des Progesteronrezeptors. Daher wird neben einer endokrinen Therapie bei diesem Typ zusätzlich eine Chemotherapie empfohlen.
  • Her2-angereicherte Tumoren stellen eine weitere Untergruppe dar. Dabei handelt es sich um Krebszellen, die reich an Rezeptoren für diesen Wachstumsfaktor sind. Die Andockstellen für diesen Wachstumsfaktor können mit Antikörpern geblockt und das Wachstumssignal in der Zelle unterbunden werden. Diese Tumoren sind eine Besonderheit, aber es ist bekannt, dass Her2-positive Tumoren keine einheitliche Gruppe bilden, teilweise tragen sie Östrogenrezeptoren, teilweise auch nicht.
  • Triple negative und Basal-like-Tumoren haben keine Rezeptoren, deshalb sprechen sie weder auf eine antihormonelle noch auf eine gegen Her2 gerichtete Therapie an. Da sie keine der drei bekannten Rezeptoren tragen werden sie als triple-negativ oder dreifach-negativ bezeichnet. Derzeit werden intensiv neue Medikamenten in Studien geprüftt, welche das Zellwachstum beeinflussen, da eine gezielte Therapie bei diesen Tumoren (noch) nicht möglich ist. Große Hoffnungen werden in die Immuntherapie gesetzt.

Wenn immer möglich erfolgt heute die Behandlung zielgerichtet, d.h. durch Medikamente die an den Zelloberflächenrezeptoren oder an Besonderheiten des Tumorzellstoffwechsels ansetzten. Man nutzt dabei die „Rezeptoren“, deren Funktion dem Zündschloss am Auto vergleichbar sind. Mit dem exakt passenden Schlüssel kann der (Zell-)Motor gestartet werden. Durch “falsche“ Schlüssel (Medikamente) wird das Zündschloss blockiert. Damit wirken diese Substanzen im Wesentlichen an der Tumorzelle. In anderen Fällen versuchen wir für das Zellwachstum notwendige Verbindungen zu kappen. Um im Beispiel des Motors zu bleiben, wir ziehen den Stecker aus der Zündspule. Damit wird die Elektrik lahmgelegt und der Motor bleibt stumm. Die moderne Behandlung will deshalb sowohl die persönlichen Risikofaktoren als auch das Therapieansprechen berücksichtigen, um der Patientin eine individuelle, optimierte Therapie anzubieten.

Das Ansprechen der Therapie kann durch eine präoperative (neoadjuvante) Therapie überwacht werden. Dabei wird nach zwei und vier Zyklen überprüft ob eine Rückbildung des Karzinoms eintritt. Bei Patientinnen, die initial kein Ansprechen nach zwei bis drei Zyklen auf die geplante Chemotherapie zeigen, kann erwogen werden, einen Wechsel der Medikamente durchzuführen. Eine neoadjuvante Therapie empfiehlt sich auch bei lokal fortgeschrittenen oder Mammakarzinomen mit erhöhtem Risiko. Hier sollte die medikamentöse Therapie vor der Operation und ggf. Bestrahlung erfolgen.Wir verfügen heute über Medikamente, die  den Brustkrebs zielgerichtet angreifen und auch solche, welche Resistenzen durchbrechen. Durch eine begleitende Behandlung im Sinne der integrativen Onkologie (die WHO hat im Jahr 2014 den Begriff der T & CM = “Traditional and Complementary Medicine” eingeführt) werden viele Nebenwirkungen der Chemotherapie erträglicher.

Die Belastung für Patientinnen konnte vermindert werden: Neue schonende Operationsverfahren reduzieren die Langzeitfolgen der operativen Therapie. Bei einer brusterhaltenden Therapie bleibt eine Bestrahlung der Brust erforderlich, neue Verfahren verkürzen die bisherige Dauer der postoperativen Strahlentherapie.

Durch die individualisierte Therapie wurden die Heilungsergebnisse verbessert: Die Heilungsrate bei Brustkrebs  ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen und liegt heute bei etwa 81%. Durch den Einsatz zielgerichteter Therapien konnten bei geeigneten Patientinnen die Heilungsergebnisse um 30-50% gesteigert werden.

Und die Zukunft? In Hamburg leben ca. 15.000 Frauen, bei denen in den vorangegangenen zehn Jahren Brustkrebs festgestellt und erfolgreich behandelt wurde. Nicht wenige leiden heute noch an den Folgen der Behandlung. Es ist deshalb eine neue Herausforderung durch eine gute Nachbetreuung dafür Sorge zu tragen, dass die Behandlung ohne seelische und körperliche Spätfolgen bleibt und von gesundheitspolitischer Bedeutung, diese Frauen durch ständige Informationen über Unterstützungsangebote, neue Entwicklungen und Erkenntnisse nicht nur am sondern auch im Leben zu halten.